Orestes (griechische Mythologie)
Sohn der Klytaimnestra und des Agamemnon
Orestes tötete seine Mutter (Rache)
Orestes (altgriechisch Ὀρέστης, auch Orest) ist in der griechischen Mythologie ein Sohn des
Agamemnon >> und der
Klytaimnestra >>.
Berichtet wird von drei Schwestern des Orestes, nämlich Elektra, Chrysothemis und Iphigenie.
Erzählung
Nachdem Agamemnon in den
trojanischen Krieg >> gezogen war, nutzte
Aigisthos >> dessen 10-jährige Abwesenheit. Aigisthos verführte Klytaimnestra, die Gemahlin des Agamemnon. Agamemnon wollte vor seiner Abreise in den Krieg seine Tochter Iphigenie der
Artemis >> opfern, um sie zu besänftigen. Die Opferung hat schließlich zwar nicht stattgefunden, dennoch entwickelte Klytaimnestra einen extremen Hass auf ihren Gemahl Agamemnon. Als Agamemnon aus dem Krieg heimkehrte, wurde er von Klytaimnestra und Aigisthos ermordet.
Es heißt, dass Aigisthos auch Orestes töten wollte. Aigisthos forderte die Herausgabe des Orestes - und zwar von seiner Amme. Die Amme übergab ihren eigenen Sohn an Aigisthos, sodass er das falsche Kind tötete. Orestes überlebte und konnte fliehen.
König Strophios
Elektra schickte ihren Bruder Orestes zu König
Strophios >> in der Landschaft
Phokis >> (beschrieben wird Phokis als historische Gebirgslandschaft in Mittelgriechenland). Die Gemahlin des Strophios heißt Kydragora - und diese wird als Schwester des Agamemnon überliefert. Strophios erzog Orestes zusammen mit seinem Sohn
Pylades >>. Pylades und Orestes wurden gute Freunde. Elektra durfte übrigens in
Mykene >> bleiben. Berichtet wird von einer Schwester des Pylades mit dem Namen
Astydameia >>.
Rache
Es ist so, dass nun Elektra ihren Bruder Orestes bat, die Ermordung ihres Vaters zu rächen. Orestes wollte dieser Bitte nicht ohne weiteres folgen und holte sich beim
Orakel von Delphi >> Rat. Was empfahl das Orakel? Dem Orestes wurde empfohlen, Klytaimnestra und Aigisthos zu töten. Nun zog Orestes nach Mykene und gab sich als Botschafter des Strophios aus. Angeblich sollte der Tod des Orestes verkündet werden. Die Asche des Orestes sollte demnach in seine Heimat gebracht werden. Klar ist, dass es sich um Orestes selber gehandelt hat. Orestes legte eine Locke auf dem Grab seines Vaters Agamemnon nieder. Nun gab sich Orestes seiner Schwester Elektra zu erkennen und tötete seine Mutter Klytaimnestra. Aigisthos wurde ebenfalls getötet, wahrscheinlich aus einem Hinterhalt heraus. Oiax und Nausimedon sind Söhne des
Nauplios >>. Sie wollten dem Aigisthos helfen, wurden jedoch von Pylades getötet.
Muttermord
Die
Erinnyen >> dulden es nicht, wenn Söhne ihre Mütter ermorden. Orestes wurde somit von den Erinnyen bestraft. Die drei Rachegöttinnen schlugen Orestes mit Wahnsinn und verfolgten ihn. Orestes floh - jedoch nirgendwo fand er wegen der Ermordung seiner Mutter Aufnahme. Beispielsweise musste Orestes in
Troizen >> vor dem Tempel des
Apollo >> wohnen. Den Einwohnern war es verboten, Orestes aufzunehmen. Es ging nun darum, dass Orestes von seiner Tat gereinigt werden musste. Nur wie? Schließlich gelangte Orestes nach
Athen >>, wo seine Tat auf dem Areopag erneut verhandelt wurde. Der Areopag, auch Areiopag(os), ist ein nordwestlich der
Akropolis >> gelegener, 115 Meter hoher Felsen mitten in Athen.
Die Verhandlung war sehr kompliziert, weil sich zwei Rechtsgüter gegenüberstanden. Einerseits ging es um den Schutz der Mutter und andererseits um Gattentreue (Klytaimnestra ist ihrem Gemahl Agamemnon nicht treu geblieben, siehe Aigisthos). Normalerweise hätte Orestes keine Chance auf Freispruch gehabt, weil bis dato stets der Schutz der Mutter Priorität hatte. Nun kommt jedoch eine Änderung in der Rechtssprechung. Als Einwand wurde vorgetragen, dass Apollo dem Orestes die Rache empfohlen hat (siehe Orakel). Orestes hätte seine Mutter Klytaimnestra somit im Auftrag des Apollo getötet. Schuldig oder nicht schuldig? Der hohe Rat konnte keine Entscheidung finden, sodass die Stimme der
Athene >> den Ausschlag gab. Athene plädierte zu Gunsten des Orestes - und in der Folge wurde er freigesprochen.
Ließen die Erinnyen jetzt von Orestes ab?Die Erinnyen ließen Orestes trotzdem nicht in Ruhe. Nun war eine neue Weissagung notwendig. Diese besagte, dass Orestes ins Land der Tauren muss - und zwar, um sich vollständig von seinem Fluch zu erlösen. Mit dem Land der Tauren (Tauris / Taurus) ist die Halbinsel Krim im Schwarzen
Meer >> gemeint. Aus dem Tempel der Artemis Orthia solle Orestes die Götterstatue rauben und diese dem Apollo (Bruder der Artemis) in Griechenland bringen, so lautete die Weissagung. Mit seinem Freund Pylades machte sich Orestes nach Tauris auf. Dort war Iphigenie (Schwester des Orestes) die Priesterin der Artemis. Pylades und Orestes wussten jedoch nicht, dass im Tempel der Artemis Iphigenie als Priesterin wirkte. Es war in Tauris üblich, Fremde der Artemis zu opfern. Iphigenie hätte somit Pylades und ihren eigenen Bruder der Artemis opfern müssen.
Iphigenie erkannte in Orestes und Pylades Griechen, sodass sie ihnen ein Angebot unterbreitete. Sie würde nur einen von beiden opfern, wenn der andere ihrem Bruder Orestes einen Brief nach Griechenland bringt. Jetzt klingelte es bei Orestes und er wusste, dass diese Priesterin seine Schwester Iphigenie ist. Iphigenie wollte jetzt ihren Bruder und Pylades retten. Ein Plan musste her. Iphigenie erzählte dem König von Tauris / Taurus mit dem Namen
Thoas >>, dass Orestes - als Mörder seiner eigenen Mutter - die Artemisstatue entweiht hat. Es wäre notwendig, dass die Statue und auch die Opfer zunächst im Meer gereinigt werden. Es dürfe jedoch niemand zusehen, so erzählte Iphigenie dem König weiter.
Die Taurer wandten ihre Blicke daher ab und Iphigenie, Orestes und Pylades konnten mit einem Schiff nach Griechenland fliehen. Die Statue der Artemis nahmen sie mit und stellten sie später im Artemistempel in Brauron (antike Kultstätte der Artemis) auf.
Zurück in Mykene
Als Orestes in seine Heimat Mykene zurückgekehrt war, herrschte dort
Aletes >>. Orestes tötete Aletes und übernahm die Herrschaft über Mykene. Er heirate
Hermione >>, Tochter des
Menelaos >> und der
Helena >>. Wegen Hermione gab es Stress zwischen Orestes und
Neoptolemos >>. Wahrscheinlich wurde Neoptolemos in diesem Zusammenhang von Orestes getötet.
Es ist von einem Sohn des Orestes und der Hermione mit dem Namen
Tisamenos >> die Rede. Mit
Erigone >> hatte Orestes ebenfalls eine sexuelle Beziehung, wodurch er der Vater des
Penthilos >> wurde. Orestes wurde später auch Herrscher über
Argos >> und Sparta.
Tod
Irgendwann gab Orestes seine Königreiche ab und zog nach Arkadien (Landschaft im Zentrum der
Peloponnes >>). Im hohen Alter von 90 Jahren wurde Orestes von einer Schlange gebissen. Durch diesen Biss fand Orestes seinen Tod. Schließlich sollen die Gebeine des Orestes nach
Sparta >> gebracht worden sein.
Quellen
Unzählige Quellen berichten über die Sage des Orestes, Beispiele:
Bibliotheke des Apollodor >> 1,52; 2,171; 2,176; 5,16; 9,14; 9,24; 9,27; 9,29
Herodot, Historien >> 1,67; 9,11
Hesiod >>, Ehoien 23a,27–30
Vergil,
Aeneis >> 3,331; 4,471
Literatur
Ferdinand Hüttemann: Die Poesie der Orestes-Sage. Eine Studie zur Geschichte der Kultur und Dramatik. Heyne, Braunsberg 1871–1873
Stefan Tilg: Orestes. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 512–521
Otto Höfer: Orestes. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 3,1, Leipzig 1902, Sp. 955–1014
Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie >> (Wilhelm Heinrich Roscher)
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